Der Blindenführhund scheint häufig die Menschen in
zwei Lager zu spalten. Die einen schwören auf ihn, die anderen
lehnen ihn grundsätzlich ab. Oft liegt die Wahrheit irgendwo
dazwischen. Zugegeben, der Langstock muß nicht raus, wenn das
Wetter alles andere als einladend ist, er hinterläßt auch
keine Haare auf dem Teppich, er muß nicht gebürstet
werden, aber er warnt einen auch nicht vor Höhenhindernissen,
er ist nicht so rasch im Reagieren, wenn es um das Umgehen von
Baustellen geht und, das ist wohl unumstritten, er kuschelt sich
nicht so nett an einen, wenn man mal völlig ratlos ist.
Mit dem Langstock komme ich allerdings in jedes Rockkonzert, kann in
jedes Restaurante, ohne mit dem Besitzer eine langatmige Diskussion
zu führen, und ich muß nicht mit dem Taxifahrer streiten,
ob er eine Beförderungspflicht hat, denn den Langstock muß
er samt dem Langstock-Halter befördern, und er wird es tun.
Bevor man einen Führhund überhaupt beantragt, sollte
man sich gut überlegen, ob man für das Tier „Hund“ im
allgemeinen etwas übrig hat. Dann ist da die Frage nach dem
eigenen Lebensrhythmus und –Stil. So praktisch und schön ein
Führhund ist, ich habe selber einen, er macht viel Arbeit und
er kann einem auch Kummer machen, wenn er krank ist. Wer bereit ist,
sich in seinen Freiheiten einzuschränken sollte sich die Mühe
machen und sich die Schulen sehr genau anschauen. Beeindruckend sind
alle Schulen, denn präsentieren können sich die Ausbilder
immer. Außerdem ist es schwer objektiv zu sein, wenn ein
kuscheliges, hopsiges Hundetier einen begrüßt und
gleichzeitig ein Ausbilder in den leuchtendsten Farben beschreibt,
was man dann alles tun kann.
Als ich als Erstführhundehalterin ins Rennen ging, war ich
das erste Jahr der festen Überzeugung, dass sämtliche
Fehler die auftraten bei mir lagen und ich die Verursacherin wäre.
Wer solch ein Gefühl vermeiden möchte, damit es zu einer
wirklichen Teambildung kommt, der sollte gleich im ersten
Kontaktgespräch nach der Nachbetreuung fragen. Auch Infos
anderer Hundebesitzer, die einen Hund aus dieser Schule haben,
sollten möglichst objektiv angehört werden. Dann muß
der Kampf mit dem Augenarzt überstanden werden, der – Dank
der neuen Reformen – ungern ein Rezept ausstellt, weil das seinen
Etat ziemlich anknabbert. Der Antrag bei der Krankenkasse sollte
ausgesprochen sorgfältig formuliert werden. Inzwischen ist es
eine Verbreitete Unart der Kassen darauf zu verweisen, dass man ja
bereits Mobilitätstraining erhalten hat und somit kein Bedarf
für ein Führhund vorhanden ist. Viel richtiger ist, dass
eine seriöse Führhundeschule stets verlangen wird, dass
ein langstocktraining absolviert wurde, denn auch der Hund braucht
Auslauf und Freizeit. Und es kann auch vorkommen, dass man seinen
vierbeinigen Begleiter zum Tierarzt führen muß.
Sind diese Hürden genommen und liegt die Kostenzusage vor,
dann heißt es die Ungeduld zügeln. Bis zum Eingang der
Kostenübernahme sollte man sich einige Schulen angeschaut
haben.
Hier ein paar Tipps, worauf man achten sollte:
1. Unbedingt einen Vorort-Termin vereinbaren und darauf achten, ob das
Abholen viel Mühe macht
2. Dort auch die Zwinger und die Freilaufmöglichkeiten mal
anschauen Ich habe auch die Böden dort abgetastet und die
Türen der Zwinger
3. Hilfreich ist auch, sich ein wenig auf seine Intuition zu verlassen,
wenn man auf Mitarbeiter trifft
4. Unbedingt auf einem Probelauf bestehen Ein Ausbilder der sagt,
dass dadurch die Hunde verunsichert werden oder gar verdorben, kann
nicht sehr überzeugt von seiner eigenen Arbeit sein.
5. Auch genauestens hinhören, wieviel Gedanken sich die Schule um
die Einschüler während der Einschulung macht. Wer nur
hört: „Na dann bringen Sie sich doch Hörbücher
mit“, der kann fast sicher sein, es geht um Kohle nicht um das
Gespann
6. Wichtig ist auch die eigene Mitwirkung an der gemeinsamen
Einweisung, schließlich weiß man selbst am besten, was
man braucht.
7. Keine Scheu vor Fragen nur unseriöse Ausbilder wiegeln
Fragen ab. Auf keinen Fall sollte man die Antwort: „Das wird dann
schon“ akzeptieren. Eine Begründung oder Erklärung ist
immer einzufordern.
Die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Ich reise mit
meinem Hund in der ganzen BRD herum, auch ins Ausland. Da ich im
Außendienst tätig bin, erwarte ich von meinem Hund, dass
er während meiner Arbeit still und ohne viel Aufhebens in einer
Ecke liegt oder ohne Gebell und Geheul in einem anderen Raum bleibt.
Dafür erwartet mein Hund von mir nach solch einem
Disziplinmeisterstück, viel Auslauf, viel Gekuschel und viel
Aufmerksamkeit.
Wer eher weniger große Aktionen tätigen möchte,
der sollte einen Hund aussuchen, der ein ruhigeres Temperament hat.
Es gibt Hunde, die gern im Geschirr arbeiten, aber auch froh sind,
wenn sie dann Freizeit haben. Andere finden nichts großartiger,
als zu führen und mit seinem Zweibeiner am Führbügel
zu arbeiten. Beides hat seine Berechtigung, solange der Hund nicht
darunter leidet.
Genug vom Aufzählen der Nachteile, denn dass ein nasser
Hund nicht gerade Freude weckt ist ja wohl jedem klar. Über die
großen und kleinen Mißgeschicke braucht man, denke ich,
auch kein weiteres Wort zu verlieren. Welche Vorteile hat ein
Führhund?
Bei einer soliden Ausbildung ist man wesentlich schneller, wenn es
sich um zugestellte Gehwege, Straßen oder Plätze handelt.
Der Langstockläufer muß ein Hindernis erst erfassen,
bevor er sich einen Weg sucht. Oft bekommt der Führhundehalter
gar nicht mit, dass ein Bauwagen im Weg stand. Ist das Team erst
einmal miteinander vertraut, ist die Laufgeschwindigkeit geradezu
atemberaubend. Bei Wegen, die man häufig geht, der Arbeitsweg,
der Weg zum Lieblingsbäcker oder ähnliches, kann man auch
ruhig mal seinen eigenen Gedanken nachhängen und kommt mit
einem guten Lauftempo ans Ziel. Ein etwas umstrittener, aber aus
meiner Sicht nicht zu verleugnender Aspekt ist einer, der die Frauen
angeht:
Eine Frau, die mit einem Führhund Abends unterwegs
ist bewegt sich zum einen wesentlich sicherer und strahlt damit auch
keine Ängstlichkeit aus. Auch wirkt ein größerer
Hund auf eventuelle Nervtöter abschreckend. Das darf aber nicht
das entscheidende Kriterium sein, sich einen Führhund
anzuschaffen. Denn ein abgerichteter Führhund ist kein
wirklicher Gefährte.
Unbekannte Wege können gut nach Beschreibungen begangen werden,
und auch hier war ich stets über den Geschwindigkeitsvorteil
überrascht.
Durch das doch sehr andere Laufverhalten ist auch die Gesundheit
im allgemeinen wesentlich besser gefördert. Wer viel spazieren
geht und sich ein gutes Lauftempo ohne Verkrampfungen angewöhnt,
der wird weniger Rücken- und Beinbeschwerden haben. Dies war
übrigens auch ein Argument, als es in der Rechtssprechung um
die grundsätzliche Befürwortung eines Führhundes
ging.
Das Orientieren in großen Räumlichkeiten wie
beispielsweise Banken, Kaufhäusern, Behördengebäuden,
etc, ist mit einem Führhund doch um einiges leichter. Treppen,
Aufzüge und Ausgänge werden von einem gut ausgebildeten
Führhund auf Kommando aufgesucht. Aber bitte daran denken, dass
auch der Hund erst einen Überblick haben muß, schließlich
war er auch noch nie dort.
Mir persönlich gefällt es immer sehr gut, dass ich bei
Verabredungen, wenn man dann in einem Café oder einem
Seminarraum sitzt, mit ruhiger Gelassenheit aufstehen kann und nur
durch das leise zumurmeln: „Zum Ausgang“ souverän diesen
Raum verlassen kann.
Und jetzt heißt es sehr ehrlich zu sich selbst sein, um
für sich und den eventuellen Begleiter eine gute und für
beide schöne Entscheidung zu treffen.
Natürlich könnte ich noch etliche Vorteile aufzählen
und dabei wahrscheinlich ins Schwärmen geraten, doch damit
würde ich vielleicht auch den Eindruck erwecken, alles ist ganz
einfach, wenn man nur erst den Hund hat. Eine vertrauensvolle und
enge Teamarbeit wird man nur dann erhalten, wenn man gerade die
ersten Monate mit dem Hund konsequent arbeitet, auch im Freilauf und
daheim.
Zum Abschluß einige Worte zur Gespannprüfung:
Eine Prüfung ist grundsätzlich unangenehm. Doch hier
sollte man klar machen, dass diese Gespannprüfung Fehler
oder/und Lücken aufdecken soll, bevor das eventuelle Unglück
seinen Lauf nimmt. Wer das Gefühl hat, es geht nicht sehr
objektiv zu, der sollte von seinem Recht gebrauch machen und eine
Person seines Vertrauens hinzuziehen. Und welcher Gespannprüfer
kennt schon alle Freunde oder Verwandten, die man hat?